Punkt eins Rumänien – ein „verkommener Staat“?

Mo, 05.05.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Präsidentschaftswahlen, die Zweite. Gast: Katja Christina Plate, Leiterin des Rumänien-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Am 4. Mai sind die Rumänen abermals aufgerufen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Zur Neuwahl musste es kommen, da die voran gegangenen Wahlen vom 24. November 2024 vom rumänischen Verfassungsgericht annulliert worden waren – ein historisch einmaliger Vorgang, der damit begründet wurde, dass der Wahlsieger des ersten Durchgangs – Calin Georgescu – „nicht transparente und wahlrechtswidrige digitale Technologien“ eingesetzt habe und er seinen Wahlkampf – ausschließlich über „TikTok" geführt – intransparent finanziert habe.Am 4. Mai darf der prorussische Rechtsextremist und Verschwörungstheoretiker Georgescu nicht mehr antreten, so dass sich laut Umfragen als Favoriten für das höchste Amt im Staat nunmehr George Simion und Crin Antonescu gegenüberstehen; zwei Politiker, die jeder auf seine Weise dafür sorgen könnten, das EU- und NATO-Mitgliedsland Rumänien weiter zu destabilisieren – und den Politverdruss weiter zu verstärken."Rumäniens Demokratie ist großenteils eine simulierte Form ohne Inhalt“, so Keno Verseck, Osteuropa-Redakteur bei der Deutschen Welle: „Das Land wird seit Jahrzehnten von Politcliquen beherrscht, die Ressourcen unter sich aufteilen, ihre Klientel bedienen, die Justiz und andere staatliche Institutionen steuern und jegliches verantwortliches, zukunftsorientiertes und nachhaltiges Regieren verhindern."Der rechtsextreme Historiker George Simion, der seine Partei AUR (Allianz für die Vereinigung der Rumänen) im Laufe der vergangenen Jahre zu einer bedeutenden Kraft im Parlament gemacht hat, hat in Moldau und der Ukraine Einreiseverbot. Angefangen hat er als Fußball-Hooligan; Handgreiflichkeiten im Parlament und Aggressionen (zum Beispiel gegen die ungarische Minderheit im Land) sind sein Markenzeichen geblieben. Ein Interview mit dem "Standard“ hat Simion kürzlich einfach abgebrochen, denn als „rechtsaußen“ wollte er seine Partei nicht bezeichnet wissen.Crin Antonescu ist der Zweite mit großen Chancen, es in die Stichwahl am 18. Mai zu schaffen. Antonescu, eine Generation älter, ist der Kandidat der aktuellen Regierungskoalition aus PSD (Sozialdemokraten), PNL (Nationalliberale) und UDMR (Partei der ungarischen Minderheit). Rumänien-Kenner weisen gern darauf hin, dass Parteinamen und das wofür sie stehen, wenig bis nichts miteinander zu tun haben. Antonescu stehe für das Establishment, schreibt das Portal politico.eu. Damit würde es im Land so weitergehen wie bisher. Doch genau das wollen viele RumänInnen nicht mehr hinnehmen: Die Wahl des nun ausgeschlossenen Calin Georgescu sei eine Protestwahl gewesen, heißt es: gegen Günstlingswirtschaft, Korruption, Teuerung und gebrochene Versprechen. Die Wahrnehmung Rumäniens als „verkommener Staat“ habe im vergangenen Jahr signifikant zugenommen, ergab eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Kann in diesem unseligen Klima aus Frust, Unsicherheit und Krieg an der Grenze der parteilose Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan das Ruder herumreißen? Der Mathematiker Dan hat sich für den Erhalt der historischen Bausubstanz und der Grünflächen seiner Stadt einen Namen gemacht. Er steht als untadeliger Kandidat klar für prowestliche Haltungen im Land.Die Wahlen vom Sonntag (und die wahrscheinliche Stichwahl am 18. Mai) werden international genau beobachtet, denn das als zuverlässiger NATO-Partner geltende Rumänien steht am Scheideweg. Durch Rumänien werden westliche Waffen an die Ukraine geliefert; in rumänischen Häfen wird Weizen aus der Ukraine umgeschlagen. Nirgends ist der Krieg so nahe wie an der langen gemeinsamen Grenze zwischen Rumänien und der Ukraine. Wohin steuert das Land mit seinen 19 Millionen Einwohnern, wenn der Trump-Anhänger und Sympathisant eines Groß-Rumänien (mit Annexion Moldaus) George Simion zum neuen Staatspräsidenten gewählt werden sollte? Alexander Musik diskutiert mit Katja Christina Plate, Leiterin des Rumänien-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung.Wie immer sind Sie eingeladen mitzudiskutieren: Wofür steht Rumänien für Sie? Welche Rolle spielen alte Netzwerke bei den mitregierenden postkommunistischen Sozialdemokraten? Wie lässt sich die Abwanderung von ihrem Land enttäuschter RumänInnen stoppen? Wie immer freut sich die Redaktion über Ihre Teilnahme an dem Gespräch unter 0800 22 69 79 während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at

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